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Mit Abstand zum Erfolg
von Mag. Andreas REITER
Die Corona-Pandemie hat die Tourismus-Branche von heute auf morgen lahmgelegt. Nach langen Wochen des Shutdowns öffnet sich nun der heimische Tourismus wieder – allerdings unter vielen Unsicherheiten (Grenzöffnungen, weitere Entwicklung der Infektionsraten, künftiges Reiseverhalten der Gäste u.a.). Diese komplexe Situation stellt auch die Bergbahnen vor starke Herausforderungen.
Zum einen gibt es keine Blaupause für diese Krise, die Betreiber müssen daher in Szenarien denken, um ihre Ressourcen an unterschiedliche Gegebenheiten – die sich ja plötzlich ändern können – anzupassen. Zum andern steht das Thema der Abstands- und Hygieneregeln über allem Neubeginn – und wird uns noch weit in das Jahr 2021 hinein begleiten. Unter diesem Aspekt muss nun, auch von den Bergbahnen, die Customer Journey völlig neu beleuchtet werden. Vor Corona war die Reise des Kunden rein Marketinggetrieben: Unternehmen haben weit über hundert Kundenkontaktpunkte zu managen, z.B.: Webseite, Social Media, Mitarbeiter vor Ort, Infrastruktur (Parkplatz, Skipisten, Trails u.a.), Gastronomie u.v.a. Durch ein stimmiges Markenerlebnis an den – wichtigsten – Kontaktpunkten können emotionale Begeisterung geweckt, Kaufimpulse ausgelöst und langfristig eine Bindung an die eigene Marke erzeugt werden.
Jetzt, infolge der Corona-Pandemie, müssen Touristiker die Reise des Kunden (und des Mitarbeiters!) in erster Linie durch die epidemiologische Brille betrachten. Abstands- und Hygieneregeln bestimmen die Servicekette. Kunden wie Mitarbeiter müssen vor einer möglichen Ansteckung geschützt werden. Distanz-Konzepte werden entwickelt, Plexiglas trennt Menschen von anderen ab, das Kapazitäten-Management muss an epidemiologische gesetzliche Bestimmungen angepasst werden usf. Von der Gastronomie über den Strand bis hin zum Museum werden wir künftig im Tourismus mit einem agilen Besucher-Management konfrontiert: Online-Reservierungen etc. werden in vielen Bereichen zur Norm.
Gerade für den Restart gilt es, sich in die Psyche der Gäste hinein zu versetzen. Für viele Menschen sind seit Corona stark frequentierte öffentliche Räume Orte der Verunsicherung, man geht mit einer erhöhten Aufmerksamkeit durch die Welt – Nähe und Distanz müssen neu austariert werden. Überall lauern „virale Risiken“, auf Türklinken, Haltegriffen usf. In der Ausgestaltung der physischen Customer Journey – beginnend beim Parkplatz, der Kasse usf. – gilt somit kuratierte Distanz als oberstes Gebot.
Auch im Produkt-Design spielt das Abstandhalten eine starke Rolle: So wurden etwa für den Sommerbetrieb auf der italienischen Insel Ischia schwimmende Plattformen entwickelt – vor der Küste, in sicherer Entfernung zu den anderen Urlaubern, können sich darauf je zwei Gäste sonnen. Distanzierter Luxus also. Alpine Regionen haben es hier (im Sommer) einfacher: auf den Wanderwegen und Trails verteilen sich die Gäste weitgehend, sie können dort in „sicherer Distanz“ das erleben, wonach sie sich in der Quarantäne gesehnt haben: Freiraum, Bewegung in der freien Natur. Den Gästen Sicherheit zu garantieren und gleichzeitig ihre Sehnsucht nach berührenden Bergerlebnissen zu stillen – diese Balance müssen Bergbahnbetreiber nach dem Neustart bewerkstelligen.
Dieser Sommer wird – je nach Szenarien (Grenzöffnung zu Deutschland ja oder nein) – für Touristiker wirtschaftlich sehr schwierig. Man könnte ihn als verloren ansehen – oder aber als Trainingslauf für den Winter: Jetzt kann man in Ruhe all diese neuen Abläufe einspielen, sich im Management der Distanz erproben. Jetzt kann man aber auch Neues vorbereiten, ausprobieren, um dann für den Winter gestärkt wieder aufzuerstehen.
Mag. Andreas REITER
Geboren in Innsbruck. Studium Soziologie & Übersetzer Univ. Innsbruck & LMU München. Ende 1996 Gründung ZTB Zukunftsbüro in Wien. ZTB berät Unternehmen, Destinationen, öffentliche Institutionen bei strategischen Zukunftsfragen, Positionierung & Produktentwicklung. Andreas Reiter ist Referent & Key Note-Speaker bei internationalen Kongressen, Lehrbeauftragter für Trend-Management Donau-Universität Krems und am MCI Innsbruck. Außerdem Keynote Speaker beim BERG.BAHN.CAMP 2020